Para­graf 219a, Bun­des­tag strei­tet über Wer­be­ver­bot für Abtreibung

Foto: Tho­mas Schneider/​agwelt

Ber­lin (idea) – Der Deut­sche Bun­des­tag hat am 22. Febru­ar in einer emo­tio­na­len Debat­te über eine mög­li­che Locke­rung des Wer­be­ver­bots für Abtrei­bung dis­ku­tiert. Gemäß Para­graf 219a StGB macht sich straf­bar, wer „sei­nes Ver­mö­gens­vor­teils wegen (…) Diens­te zur Vor­nah­me eines Schwan­ger­schafts­ab­bruchs (…) anbie­tet, ankün­digt oder anpreist“. Bünd­nis 90/​Die Grü­nen und Die Lin­ke brach­ten jeweils einen Gesetz­ent­wurf ein, der eine Strei­chung des Para­gra­fen vor­sieht, die FDP einen, der sich für eine Reform ein­setzt. Dann wür­de nur noch Wer­bung bestraft wer­den, die in „grob anstö­ßi­ger Wei­se“ erfolgt. Die Anträ­ge wur­den nach der Debat­te zur wei­te­ren Dis­kus­si­on in die Aus­schüs­se ver­wie­sen. Uni­on und AfD sind für eine unein­ge­schränk­te Bei­be­hal­tung des Para­gra­fen. Die SPD, die sich bereits im Dezem­ber für eine Abschaf­fung aus­ge­spro­chen hat, hat mit Blick auf die mög­li­che Gro­ße Koali­ti­on ihren Antrag nicht ein­ge­bracht, son­dern hofft auf eine frak­ti­ons­über­grei­fen­de Kom­pro­miss­lö­sung. Im Koali­ti­ons­ver­trag gibt es zu dem The­ma kei­ne Aussage.

Ulle Schauws (Bünd­nis 90/​Die Grü­nen): Der Para­graf ist absurd

Die Grü­nen-Abge­ord­ne­te Ulle Schauws sag­te in der Debat­te, der Para­graf ver­hin­de­re, dass sich Frau­en umfas­send und sach­lich infor­mie­ren könn­ten. Das sei absurd. Ärz­te brauch­ten zudem Rechts­klar­heit. Sie müss­ten infor­mie­ren kön­nen, ohne dafür vor Gericht gezo­gen zu wer­den. Es sei zudem selbst für die Bera­tungs­stel­len schwer zu erfah­ren, wel­cher Arzt Abtrei­bun­gen durch­füh­re. Sie könn­ten Frau­en oft kei­ne aktu­el­len Lis­ten geben. Eine Bera­tung ist in Deutsch­land vor einer Abtrei­bung zwin­gend vor­ge­schrie­ben. Frau­en erhal­ten danach einen Bera­tungs­schein, der Vor­aus­set­zung für eine rechts­wid­ri­ge, aber straf­freie Abtrei­bung ist. Frau­en soll­ten die Ent­schei­dung „so infor­miert wie mög­lich tref­fen kön­nen“, so Schauws.

Frak­ti­ons­vi­ze Har­barth (CDU): Das unge­bo­re­ne Kind wird vergessen

Uni­ons­frak­ti­ons­vi­ze Ste­phan Har­barth (CDU) beklag­te, dass die Anträ­ge aus­schließ­lich die Inter­es­sen von Ärz­ten und Schwan­ge­ren in den Blick näh­men, aber nicht die der unge­bo­re­nen Kin­der. Recht­li­cher Schutz gebüh­re dem Unge­bo­re­nen auch gegen­über sei­ner Mut­ter. Das her­an­wach­sen­de Kind kön­ne sich nicht selbst schüt­zen, son­dern sei auf den Staat ange­wie­sen. Abtrei­bung sol­le in der Öffent­lich­keit nicht als etwas Nor­ma­les dar­ge­stellt werden.

Eva Högl (SPD): Frau­en wer­den „unzu­mut­bar beschränkt“

Laut der stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on, Eva Högl, wer­den Frau­en der­zeit „unzu­mut­bar beschränkt“, sich frei zu infor­mie­ren. Zudem grei­fe 219a in die Berufs­frei­heit der Ärz­te ein. Es kön­ne nicht sein, dass sie von Gerich­ten ver­ur­teilt wer­den, nur weil sie über ihre Ange­bo­te infor­mier­ten. Objek­ti­ve Infor­ma­ti­on sei kei­ne Werbung.

Har­der-Küh­nel (AfD): Jedes Jahr wer­den 100.000 Kin­der getötet

Maria­na Iris Har­der-Küh­nel (AfD) beton­te, dass der Staat das unge­bo­re­ne Leben schüt­zen soll­te. Jedes Jahr wür­den 100.000 unge­bo­re­ne Kin­der getö­tet. Dem Gesetz zufol­ge soll­ten Schwan­ge­re so bera­ten wer­den, dass sie zur Fort­set­zung ihrer Schwan­ger­schaft ermu­tigt wer­den. Das wür­de kon­ter­ka­riert wer­den, wenn der Arzt, der mit einer Abtrei­bung Geld ver­die­ne, dafür wer­ben dürfe.

Ste­phan Tho­mae (FDP): Wir wol­len den Para­gra­fen modernisieren

Der stell­ver­tre­ten­de FDP-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de Ste­phan Tho­mae warb für den Ver­mitt­lungs­vor­schlag sei­ner Par­tei, die den Para­gra­fen moder­ni­sie­ren wol­le und klar zwi­schen sach­li­cher Infor­ma­ti­on durch einen Arzt und Wer­bung unter­schei­den wol­le. Um das Selbst­be­stim­mungs­recht der Frau zu wah­ren, müs­se sie Zugang zu sach­li­chen Infor­ma­tio­nen haben.

Cor­ne­lia Möh­ring (Die Lin­ke): Frau­en wol­len selbst­be­stimmt ent­schei­den, ob sie abtreiben

Der frau­en­po­li­ti­schen Spre­che­rin und stell­ver­tre­ten­den Vor­sit­zen­den der Frak­ti­on Die Lin­ke, Cor­ne­lia Möh­ring, zufol­ge, wer­den Frau­en, die sich in einer Not­la­ge befin­den, Hür­den in den Weg gelegt. Jede vier­te Frau in Deutsch­land sei bereits ein­mal in ihrem Leben in die­ser Situa­ti­on gewe­sen. Bei den Bera­tungs­stel­len wür­den ihr je nach Bun­des­land kei­ne Ärz­te oder Kli­ni­ken genannt, wo sie abtrei­ben könn­te. Der Bun­des­tag sei ver­ant­wort­lich, dass das Recht auf Gesund­heit durch­ge­setzt wer­de. Frau­en woll­ten selbst­be­stimmt ent­schei­den, ob sie eine Schwan­ger­schaft aus­tra­gen. Vor­aus­set­zung dafür sei die Abschaf­fung von 219a.

Frau­ke Petry (frak­ti­ons­los): Es gibt bereits jetzt genü­gend Informationen

Frau­ke Petry (frak­ti­ons­los) kri­ti­sier­te, dass Möh­ring die Situa­ti­on des Kin­des völ­lig aus­blen­de. Zudem gebe es kei­nen Man­gel an Infor­ma­ti­on. Der Para­graf sei not­wen­dig, weil er sich zum Anwalt der unge­bo­re­nen Kin­der mache und damit die schwächs­te Form des Lebens schütze.

Für das Kind steht alles auf dem Spiel“

Eli­sa­beth Win­kel­mei­er-Becker (CDU) sag­te, dass man bei dem The­ma nicht nur über die Frau­en und ihre Frei­heit und Eman­zi­pa­ti­on reden kön­ne: „Für das Kind steht alles auf dem Spiel.“ Sil­ke Lau­nert (CDU) erin­ner­te an die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes, nach der eine Abtrei­bung grund­sätz­lich als Unrecht anzu­se­hen und ver­bo­ten sei. Es sei die Auf­ga­be des Bun­des­tags, das im all­ge­mei­nen Bewusst­sein zu hal­ten. Abtrei­bung sei kein Nor­mal­fall: „Wer­bung für Tabak wol­len wir ver­bie­ten, Wer­bung für Abtrei­bung lega­li­sie­ren: Das ver­ste­he, wer will.“ Das Amts­ge­richt Gie­ßen hat­te im Novem­ber die Gie­ße­ner Frau­en­ärz­tin Kris­ti­na Hänel zu einer Geld­stra­fe von 6.000 Euro ver­ur­teilt, weil sie auf der Inter­net­sei­te ihrer Pra­xis über Abtrei­bun­gen infor­miert hat­te. Anschlie­ßend war es zu einer brei­ten Debat­te über die Abschaf­fung des Para­gra­fen gekom­men. Abtrei­bun­gen sind in Deutsch­land grund­sätz­lich rechts­wid­rig; sie blei­ben jedoch gemäß Para­graf 218 des Straf­ge­setz­bu­ches in den ers­ten drei Schwan­ger­schafts­mo­na­ten nach einer beschei­nig­ten Bera­tung straffrei.

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